Auf Einladung des Lega-Chefs Matteo Salvini versammelten sich in Mailand eine Woche vor der Europawahl elf rechtspopulistische Parteien. So demonstrierten unter anderem Marine Le Pen vom Rassemblement National, Jörg Meuthen von der AfD und Georg Mayer von der FPÖ erneut ihre Geschlossenheit und warben für eine gemeinsame Allianz, die die EU im Kern verändern soll. Das erklärte Ziel ist die Bildung einer europäischen „Superfraktion“ rechter EU-skeptischer bis EU-feindlicher Parteien. Bereits bei der Europawahl 2014 hatten diese Kräfte aufsehenerregende Wahlergebnisse erreicht; sie blieben seitdem allerdings auf mehrere Fraktionen aufgeteilt und wenig einflussreich. Das soll nach Salvinis Wille nun anders werden. Die geplante „Superfraktion“ soll eine große Schlagkraft entfalten.

Rechtsaußenparteien sind heute in nahezu allen europäischen Staaten als starke Akteure auf der politischen Bühne vorzufinden und auch bei der jüngsten Wahl zum Europäischen Parlament konnten sie ihren Erfolg insgesamt steigern (vgl. den Beitrag von Manuel Pietzko zur Europawahl). In Frankreich, Italien, Großbritannien, Ungarn und Polen haben sie gar die meisten Wählerstimmen auf sich gezogen. Eine intensivere Zusammenarbeit würde ihnen nicht nur symbolische Stärke verleihen, sondern auch zu mehr Gestaltungskraft, finanziellen Mitteln und Rederechten im EU-Parlament verhelfen. Doch was eint die Rechtspopulisten? Ist ein durchsetzungsfähiger Zusammenschluss in Zukunft wirklich zu erwarten?

Vereinende Merkmale rechtspopulistischer Parteien

Der Begriff „Rechtspopulismus“ muss insofern als Verharmlosung gelten, als etliche der Parteien, die so tituliert werden, sich nicht von rechtsextremen Strömungen abgrenzen lassen. Zumindest vordergründig bekennen sich die meisten jedoch zu demokratischen Vorgängen und haben eine Möglichkeit gefunden, rechten Protest zu schüren und dabei zunehmend salonfähig zu werden. Der populistische Stil, der die Parteien vereint, liegt in der pauschalen Annahme, es existiere ein einheitlicher Volkswille, der von einer korrupten Elite durchweg missachtet werde.

Daneben sind einige gemeinsame Mobilisierungsthemen zu erkennen, die – mehr oder weniger ausgeprägt – auf der Agenda der Rechtsaußenparteien stehen. An erster Stelle ist hier die Migrations- und Sicherheitsthematik zu nennen; ein starker Staat soll das Volk vor allem „Fremden“ schützen. Das Augenmerk liegt dabei auf – vor allem nicht-europäischer – Einwanderung und es werden starke Ressentiments gegen den Islam geschürt. Auf diese Weise soll ein starkes nationales Gemeinschaftsgefühl hervorgerufen werden, das auf Ab- und Ausgrenzung beruht.

Mit Blick auf dieses Weltbild verwundert es nicht, dass diese Parteien der EU skeptisch oder in vielen Fällen sogar feindlich gegenüberstehen. Denn während sie sich dem Nationalismus verschreiben, ist die Abgabe bzw. Teilung von Hoheitsrechten als Kernelement des europäischen Projekts zu verstehen; dadurch ist eine neue übergeordnete Entität entstanden. Den Rechtspopulisten dient die EU allgemein als Sündenbock für sämtliche Krisen und wird als Gefahr für die nationale Souveränität angesehen. Die Rufe einiger Rechtsaußenparteien nach einem EU-Austritt nach dem Vorbild der Briten sind vor dem Hintergrund des Brexit-Chaos jedoch leiser geworden und das Hauptziel liegt nun in den meisten Fällen auf einer tiefgreifenden Veränderung des europäischen Projekts von innen heraus. Das Ziel ist ein „Europa der Nationen“, das als Konzept zwar vage gehalten wird, die europäische Idee und die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte jedoch grundsätzlich in Frage stellt.

Die politischen Vorstellungen gehen sehr weit auseinander

Obwohl die rechtspopulistischen Parteien die gleichen Feindbilder pflegen, sind sie sich in Bezug auf konkrete politische Zielsetzungen nur selten einig. Im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzpolitik wird die Frage nach europäischer Solidarität in Nord- und Mitteleuropa oft ganz anders beurteilt als in den südlichen Staaten. Parteien wie die FPÖ, die AfD und die „Finnen“ (früher „Wahre Finnen“), die in Mailand allesamt vertreten waren, lehnen die Vergemeinschaftung von Schulden strikt ab und warnen vor einer Transferunion, in der wenige wirtschaftlich starke Staaten reformunwillige und wirtschaftlich weniger erfolgreiche Mitgliedstaaten mitfinanzieren müssten. Diese Herangehensweise unterscheidet sich fundamental von der Forderung der italienischen Koalition zwischen der Lega und dem Movimento 5 Stelle, die mehr europäische Solidarität fordert und trotz immenser Schuldenberge eine starke Neuverschuldung plant. Alice Weidel von der AfD twittert in diesem Zusammenhang „Die spinnen, die Römer“ und fragt: „Warum sollen wir für die reichen Italiener zahlen?“

Sozioökonomische Fragestellungen werden innerhalb der Rechtsaußenparteien ebenfalls unterschiedlich bewertet. Während die einen neoliberale Ansichten vertreten, zeigt sich bei anderen ein deutlicher Trend hin zum Protektionismus, der auch eine traditionell linke Wählerschaft einfangen soll. Insbesondere Marine Le Pen erntet regelmäßig Kritik für ihren „sozialistischen“ Ansatz.

Ein weiterer Faktor, der zur Spaltung beiträgt, liegt in der Tatsache, dass einige der rechten Akteure eine klare Nähe zu Russland aufweisen. So fordern zum Beispiel Victor Orbáns Fidesz oder der Rassemblement National das Ende der Sanktionen, die die EU im Zusammenhang mit der Krim-Annexion gegen Russland verhängt hat. Ganz anderer Ansicht ist die regierende polnische PiS, die die Sanktionen beibehalten will und in Putins Politik eine starke Bedrohung sieht.

Selbst das gemeinsame Grundsatzthema Migration sorgt für Spannungen. Zwar plädieren alle für eine Abschottungspolitik und für eine „Festung Europa“. Gleichzeitig aber hat Italien als Ankunftsland vieler Flüchtlinge ein großes Interesse an der Einhaltung der beschlossenen Umverteilung auf die europäischen Staaten. Es überrascht nicht, dass bei den anderen Rechtspopulisten auch in dieser Hinsicht kein Wille zur Solidarität besteht.

Wenig Gestaltungskraft in der letzten Wahlperiode

Die geschilderten Differenzen haben die rechten Parteien in der letzten Wahlperiode (2014-2019) im Europaparlament weitgehend handlungsunfähig gemacht. Insgesamt hatten sie sich auf vier verschiedene Fraktionen aufgeteilt. Die Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) muss mit Vertretern der Lega, des Rassemblement National und der FPÖ dem extrem rechten Lager zugeordnet werden. Als reine Zweckgemeinschaft ist die Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ (EFDD) zu verstehen, die insbesondere aus der britischen UKIP und dem italienischen Movimento 5 Stelle bestand. Mit der Gründung der Brexit-Party durch Nigel Farage im Januar 2019 verließen viele Abgeordnete die UKIP und schlossen sich Farages neuer Partei an. Während die UKIP bei der jüngsten Europawahl in der Bedeutungslosigkeit versank, ergatterte die Brexit-Party aus dem Stand 29 der 73 britischen Sitze. Als etwas gemäßigter gilt die Fraktion „Europäische Konservative und Reformer“ (EKR), die sich unter anderem aus der PiS-Partei und den Schwedendemokraten zusammensetzt. Mit Orbáns Fidesz reicht der rechtsnationale Einfluss außerdem bis in die EVP. Die Fraktion hat die ungarische Partei im März jedoch vorläufig suspendiert.

Auch das Abstimmungsverhalten innerhalb der ENF, der EKR und der EFDD spricht Bände. Die Übereinstimmungsraten waren sehr viel niedriger als bei den anderen Fraktionen und im Falle der EFDD und der ENF konnte von einer effektiven Kooperation mit Fraktionsdisziplin nicht die Rede sein. Demnach hatten die Rechtspopulisten sehr wenig Gestaltungskraft und konnten ihre Agenda nicht effektiv vorantreiben.

Welche Erfolgsaussichten hat eine neue „Superfraktion“ der Rechtsaußenparteien?

Wie die Fraktionen in Zukunft aussehen werden, wird sich erst in den nächsten Wochen abschließend herausstellen und in hohem Maße über das weitere Geschehen im Parlament entscheiden. Salvinis Vision ist eine Sammelfraktion, welche an die Sitzanzahl der EVP oder der S&D herankommen und nach jetzigem Stand „Europäische Allianz der Völker und Nationen“ heißen soll. Anders als bisher wollen die Rechten die EU-Politik aktiv mitgestalten und beeinflussen. Derzeit sollen der Fraktion neben der Lega auch der Rassemblement National, die FPÖ, die Dansk Folkeparti aus Dänemark, die „Finnen“, die AfD, der belgische Vlaams Belang, die Eesti Konservatiivne Rahvaerakond (EKRE) aus Estland und die tschechische Svoboda a přímá demokracie (SPD) angehören. Zusammen stellen diese Parteien 73 Abgeordnete im neuen Europäischen Parlament. Da sie in Deutschland, Österreich und Dänemark schlechter abgeschnitten haben, als vor den Wahlen erwartet, ist es für das Bündnis umso wichtiger, weitere Abgeordnete für sich zu gewinnen. Geert Wilders, der sich mit der Partij voor de Vrijheid (PVV) ebenfalls zu der Allianz bekannt hatte, bekam jedoch keinen Sitz im Parlament.

Außerdem zeigen sich manche Rechte, die für das Bündnis in Frage kämen, momentan eher ablehnend. So wäre die Fidesz mit 17 Sitzen ein attraktiver Partner und Orbán stand einem Rechtsaußenbündnis lange Zeit positiv gegenüber. In den letzten Tagen scheint er sich jedoch wieder Richtung EVP zu orientieren. Unklar bleibt aber, ob die bürgerlich-konservative EVP bereit ist, erneut mit dem ungarischen Ministerpräsidenten zusammenzuarbeiten. Auch Nigel Farage hat angekündigt, mit der Brexit-Party nicht Teil der Fraktion werden zu wollen. An dieser Stelle handelt es sich ohnehin um einen Sonderfall, denn Farage ist einzig mit dem Ziel angetreten, den Brexit im Oktober tatsächlich durchzuführen. Die jüngsten Aussagen von Jarosław Kaczyński, der mit der PiS 26 Sitze innehat, lassen darauf schließen, dass die Gräben zwischen Polen und dem geplanten Bündnis aufgrund der unterschiedlichen Meinungen zu Russland ebenfalls zu tief sind, um zusammenzukommen. Offen ist, wem sich das Movimento 5 Stelle und die kleineren Parteien wie die rechtsextreme spanische Vox anschließen werden.

Eine „Superfraktion“ im Sinne eines Zusammenschlusses aller rechten EU-Skeptiker ist in naher Zukunft eher nicht zu erwarten. Wahrscheinlicher ist, dass rechts der EVP mindestens zwei Fraktionen gebildet werden. Trotzdem wird Salvinis Allianz weiterhin versuchen, Abgeordnete anzuwerben, denn der politische Wille zu mehr Zusammenarbeit ist bei einigen rechten Vertretern groß. Fraglich bleibt, ob eine funktionsfähige Kooperation zwischen Parteien möglich ist, die auf Grundlage ihrer ideologischen Natur immer nationale Egoismen in den Vordergrund stellen. Doch auch wenn dem Europäischen Parlament eine „Superfraktion“ der Rechtsaußenparteien erspart bleiben sollte, müssen sich alle pro-europäischen Kräfte wappnen: Es wird deutlich härter zugehen als bisher.

(Alle genannten Zahlen im Beitrag stammen von politico.eu, Stand: 07.06.2019.)