Am Mittwoch, den 22.01.2020, fand erneut das Sicherheitspolitische Forum am Wittelsbacherplatz statt. Unter dem Titel „China: Entwicklungsprozesse einer Weltmacht“ veranschaulichte Dr. Oliver Corff (Wirtschaftsexperte, Dolmetscher und China-Experte) den Wandel Chinas vom Entwicklungsstaat hin zum Staat in Entwicklung.

Nach kurzen einführenden Worten Ernst-Otto Berks (Regionalsprecher Würzburg der Deutschen Atlantischen Gesellschaft) und Prof. Dr. Müller-Brandeck-Bocquets nannte Dr. Corff einige wichtige Daten und Faken über die Volksrepublik China, um deren Bedeutung für die Weltwirtschaft und die Internationale Beziehungen zu veranschaulichen. So hätte in der westlichen Welt lange die Illusion bestanden, China ignorieren zu können. Dass der Staat allerdings etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung ausmache, permanentes Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sei und mittlerweile wieder als wirtschaftliche Großmacht gelte, war lange Zeit nicht zur Kenntnis genommen worden.

Ernst-Otto Berk (Regionalsprecher Würzburg der Deutschen Atlantischen Gesellschaft)

Die rapide, materielle Entwicklung Chinas ist – so Dr. Corff –  sogar als Staatsziel in der Satzung der herrschenden KPCH (Kommunistische Partei Chinas) verankert, die als oberste Rechtsakte zählt. Hier heißt es, Entwicklung sei ein Menschenrecht und es gelte als Pflicht der internationalen Gemeinschaft, Chinas Entwicklung mit zu unterstützen. Als besonders bemerkenswert hebt Dr. Corff dabei die Selbstverständlichkeit hervor, mit welcher die chinesische Bevölkerung die rapide Entwicklung Chinas hinnimmt und welch starkes Technik- und Technologievertrauen herrscht. Er betont damit wie Entwicklung als naturgegebenes Recht perzipiert wird.

Begrüßung durch Prof. Dr. Müller-Brandeck-Bocquet

Zur Veranschaulichung der chinesischen, außenpolitischen Vorgehensweise nennt Dr. Corff die Belt and Road Initiative (BRI), auch als „Neue Seidenstraße“ bezeichnet. Auch wenn die offizielle Bezeichnung „Initiative“ lautet, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die chinesische Regierung selbst von einer Strategie spricht. Diese Initiative dient der Umsetzung von chinesischen Kerninteressen wie Stabilität, territoriale Integrität und Entwicklung. In Strategiedokumenten wird die BRI eng mit der Gesamtstrategie für die Globalisierung der chinesischen Fertigungsindustrie verknüpft. Schwerpunkte sind außerdem die Durchsetzung chinesischer Interessen und die Schaffung eines vorteilhaften Umfeldes. Trotz der Tatsache, dass offiziell nicht von einer Weltrevolution 2.0 oder dem Export des chinesischen Regierungssystems gesprochen wird, versucht China, seine Vorstellungen und Normen auch international durchzusetzen.

Dr. Oliver Corff

Allerdings ist China auch mit einigen gravierenden Problemen konfrontiert, im Umweltschutzbereich zum Beispiel sowie beim demografischen Wandel. Dennoch stellt China eine Herausforderung dar. Ein Grund dafür ist – so Dr. Corff –   die asymmetrische Ordnungsauffassung. China unterstützt die Schaffung einer internationalen Rechtsordnung nur, wenn diese dem eigenen Vorteil dient. Oftmals werden Abkommen, die dem nicht entsprechen, nicht eingehalten oder ignoriert. Während also von der westlichen Welt erwartet wird, die chinesische Entwicklung zu unterstützen, gewährt China seinerseits der internationalen Ordnung nur selektive Unterstützung.

Dr. Oliver Corff und Prof. Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet bei der anschließenden Diskussion

Als eine weitere wichtige Herausforderung bewertet Dr. Corff die Entstehung zweier Informationswelten, einer chinesischen und einer globalen. Als Beispiel nennt er hierbei die Nutzung von bestimmten Webseiten: Westliche Seiten wie Google oder Facebook werden global genutzt. Chinesische Seiten hingegen generieren 90 Prozent ihrer Nutzer*innen aus China. Eine Asymmetrie in der Ordnungsauffassung erkennt er auch hier: Denn einige westliche Webseiten seien in China verboten, andersherum werden jedoch keine vergleichbaren Verbote erteilt. So fordert er explizit ein Verbot der EU der Webseite tiktok.

Zum Abschluss des Vortrags stellte Dr. Corff fest, dass China den Westen zwar als Partner ansieht, häufig aber dazu neigt, aufgrund nationaler Interessen oder perzipierter Ungleichheiten auszuscheren. Er erinnert jedoch mit Nachdruck daran, dass die Welt im Umbruch mehr denn je die Interdependenz aller Staaten anerkennen und ein Verständnis für andere (hier chinesische) Werte aufbringen muss. Die Herausforderungen der heutigen Zeit sind nicht im Alleingang lösbar. China darf – so Dr. Corff abschließend –  nicht auf die genannten Punkte reduziert werden, vielmehr muss das Potenzial der „Vielgesichtigkeit“ der Bevölkerung und des Staates erkannt und genutzt werden.

Dr. Oliver Corff und Prof. Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet bei der anschließenden Diskussion