Wie können die Klimaschutzmaßnahmen von über 190 Staaten verglichen werden? Welche Parameter müssen zu diesem Zweck veröffentlicht und darlegt werden? Drei Jahre nach Verabschiedung des ersten, alle Staaten umfassenden und zugleich verbindlichen Klimavertrages – dem Pariser Abkommen vom Dezember 2015 – standen diese konkreten Umsetzungsfragen im Zentrum der 24. Weltklimakonferenz COP 24 vom 2. bis 15. Dezember 2018. Wie bereits im Rahmen der COP 23 beschlossen, sollte in der für ihren Kohleabbau bekannten polnischen Stadt Kattowitz das verbindliche Regelbuch (Rulebook) erarbeitet und verabschiedet werden.

Zur Bewältigung dieser großen und zugleich sehr technischen Aufgabe wandte sich der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres mit vier, wie er sagt, einfachen Botschaften an die Teilnehmenden der Konferenz:

  1. Science demands a significantly more ambitious response.
    (Die Wissenschaft fordert eine deutlich ambitioniertere Antwort.)
  2. The Paris Agreement provides the framework for action, so we must operationalize it.
    (Das Pariser Abkommen stellt den Aktionsrahmen dar, daher müssen wir es operationalisieren.)
  3. We have a collective responsibility to invest in averting global climate chaos to consolidate the financial commitments made in Paris and to assist the most vulnerable communities and nations.
    (Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung, das globale Klimachaos abzuwenden sowie die in Paris eingegangenen finanziellen Verpflichtungen umzusetzen und somit die am stärksten gefährdeten Gemeinschaften und Nationen zu unterstützen.)
  4. Climate action offers a compelling path to transform our world for the better.(Klimaschutz bietet einen überzeugenden Weg unsere Welt zum Besseren zu verändern.)

Sind diese Botschaften – im Kontext der Weltklimakonferenz vielleicht besser verstanden als Auftrag – so einfach umzusetzen? Und welche weiteren Anforderungen sowie Erwartungen wurden im Vorfeld der COP 24 diskutiert?

Erwartungen an die COP24

Der von den letztjährigen Gastgebern auf den Weg gebrachte Talanoa-Dialog sollte final beendet und konstruktiv ausgewertet werden. Dieses Gesprächskonzept hatte ambitioniertere Klimaziele mittels eines Reflexionsprozesses zum Ziel. Eine bereits im Jahr 2013 in Warschau gestartete Debatte zum Komplex „Loss and Damage“ (Verluste und Schäden) sollte zudem weitergeführt werden. Generell ist die Frage der Klimafinanzierung im Rahmen der COPs allgegenwärtig, so sind dem Green Climate Fund 100 Milliarden USD jährlich bis 2020 zugesagt; wie dieser Fonds nach 2020 ausgestaltet und ausgestattet wird, ist noch völlig offen.

Die größte Aufgabe der Klimakonferenz vom Dezember 2018 stellte jedoch die Erarbeitung des Regelbuches zur Umsetzung des Pariser Abkommens dar. Seit Beginn des Jahres 2018 wurde daran intensiv auf Ebene der internationalen Klimadiplomatie gearbeitet. Dass die Kattowitzer-Verhandlungen mit mehr als 300 Seiten und sich durchaus widersprechenden Passagen begannen, zeigt, wie weit die verschiedenen Staaten und Gruppen auseinanderlagen. Wegen der sehr unterschiedlichen Bezugsgrößen innerhalb der nationalen Klimaschutzziele ist ein solches Regelbuch unabdingbar; es soll einerseits eine größtmögliche Transparenz herstellen und andererseits die Vergleichbarkeit der jeweiligen Maßnahmen und deren Resultate sicherstellen. Dies ist eine zentrale Voraussetzung, um dem Pariser Abkommen zur Umsetzung und damit zum Erfolg zu verhelfen.

Welche Themen wurden behandelt – wurden António Guterres Schwerpunkte aufgegriffen?

“1. Science demands a significantly more ambitious response.”

Im Vorfeld der COP 24 hatte der Weltklimarat IPCC einen alarmierenden Weltklimabericht veröffentlicht. Dieser zeigt der Welt erneut und drastisch auf, dass die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels bei weitem nicht ausreichend sind, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad (wie in Paris als Ziel gesetzt) zu begrenzen. Doch wichtige Staatschefs, die den menschengemachten Klimawandel in Frage stellen, zogen den Bericht in Zweifel.

Nicht überraschend, dennoch gravierend, ist daher der Widerstand von Seiten der Ölexportnationen Saudi-Arabien, Russland, Kuwait und den USA, sich im Rahmen des Klimagipfels der offiziellen „Begrüßung“ des Berichts zu anzuschließen. Damit sandten diese Staaten das Signal aus, dass sie die Klimaforschung und ihre Erkenntnisse nicht anerkennen. Dies war ein verheerendes Zeichen, weil damit einhergehend die Umsetzung der Pariser Klimaziele in Verruf geraten kann. Im Abschlussdokument ist nun lediglich eine Formulierung zu finden, die das pünktliche Erscheinen des Berichts begrüßt. Die maßgeblich durch die EU geformte Allianz hoch ambitionierter Staaten begrüßte den Bericht hingegen und verhalf ihm somit zu einer angemessenen Würdigung.

“2. The Paris Agreement provides the framework for action, so we must operationalize it.”

Die Operationalisierung des Pariser Abkommens, wie Guterres formuliert, stellte das Herzstück der Verhandlungen dar: die Erarbeitung des Regelbuchs. Während im Verlauf der Konferenz der Anschein erweckt wurde, dass es nur schwer möglich sein würde, ein über 300 Seiten umfassendes heterogenes Kompendium in einen einheitlichen technischen Rahmen zur Umsetzung der Pariser Ziele zu gießen, konnte dies am Ende dennoch erreicht werden. Das letztlich über 130 Seiten starke, final verabschiedete Werk regelt beispielsweise eine standardisierte Messung des CO2-Ausstoßes. Zudem wurde festgelegt, dass Industrieländer bereits ab 2022 auf Grundlage des Rulebook berichten, während Entwicklungs- und Schwellenländer erst ab 2024 folgen müssen. Dennoch musste auf die bereits im Vorfeld kursierende Idee, die weiteren Verhandlungen zum Regelbuch zu splitten, zurückgegriffen werden: Die COP 25, die 2019 in Chile stattfindet, wird sich daher intensiv dem internationalen Emissionshandel widmen –  eine komplizierte Aufgabe, da sich Brasilien bei den aktuellen Verhandlungen den angedachten Prinzipien verwehrte und die neue Regierung unter Präsident Bolsonaro diesen destruktiven Kurs weiterführen dürfte.

“3. We have a collective responsibility to invest in averting global climate chaos to consolidate the financial commitments made in Paris and to assist the most vulnerable communities and nations.”

Die gemeinsame Verantwortung für das Weltklima ansprechend, insistiert Guterres bei seiner dritten Botschaft darauf, dass den vulnerablen Staaten, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, wie beispielsweise den kleinen Inselstaaten, angemessen und – gerade auch in finanzieller Hinsicht – umfassend geholfen und damit den Vereinbarungen des Pariser Abkommens nachgekommen wird. Dies kann als Aufruf an die Industriestaaten gewertet werden, deren verstärktes finanzielles Engagement unabdingbar ist. Zudem ist im ersten Teil dieses 3. Punktes ein Aufruf an die Entwicklungs- und Schwellenländer zu erkennen: Denn auch diese werden verstärkt in die Verantwortung genommen, das Chaos des Klimawandels abzuwenden.

In Kattowitz wurde diese Botschaft erstaunlich präzise aufgegriffen. Zunächst jedoch verweigerten sich die Schwellen- und Entwicklungsländer der geforderten Transparenz bezüglich ihrer Klimaschutzmaßnahmen. Mit Verweis auf ihre Souveränität waren diese Staaten nicht bereit im Sinne des Regelbuches die Erfolge und Misserfolge der eigenen Klimaschutzpolitik offen zu legen. Gleichzeitig verwehrten sich die Industriestaaten umfassend darüber zu berichten, welche finanziellen Mittel zur Unterstützung der Klimaschutzmaßnahmen der Entwicklungs- und Schwellenländer bereitgestellt wurden. Am Ende einigten sich die Parteien darauf, dass sich sowohl die Industrie- als auch die Schwellen- und Entwicklungsstaaten zur Transparenz im jeweiligen Bereich verpflichten. Zum Durchbruch verhalf dieser Formel die Zusammenarbeit von EU und China. Obwohl China zunächst darauf insistierte, als Entwicklungsland nicht an die Berichtspflichten durch das Regelbuch gebunden zu sein, stimmte Peking letztlich der Abmachung zu, dass Schwellen- und Entwicklungsländer erst zwei Jahre nach Beginn der Berichtspflicht für die Industrieländer nachziehen müssen. Die Klimadiplomatie war hier also insofern erfolgreich, als sie die Kompromissformel „Transparenz der einen gegen die Transparenz der anderen“ durchsetzen konnte.

“4. Climate action offers a compelling path to transform our world for the better.”

Wenn der UN-Generalsekretär betont, dass der Klimaschutz einen überzeugenden Weg darstellt, um die Welt zum Besseren zu verändern, kann dieser Gedanke in verschiedene Richtungen weisen. Eine davon ist sicher die transnationale Zusammenarbeit verschiedener Akteur_innen wie Staaten, Regionalorganisationen, NGOs und lokaler Gruppierungen.

Nur wenn sich diese Akteur_innen auf gemeinsame Regeln und Wege einigen können, kann das Pariser Abkommen seine Wirkung entfalten. Überraschenderweise war – wie bereits dargelegt – bei der COP 24 eine fruchtbare Zusammenarbeit Chinas mit der Europäischen Union zu beobachten. Weil die USA derzeit als enger Partner der EU ausfallen, machte China zum ersten Mal auch praktisch deutlich, dass der von Präsident Trump angekündigte Ausstieg aus dem Pariser Abkommen nicht das Ende der Klimadiplomatie bedeutet. Insofern ist die demonstrative Zusammenarbeit zwischen diesen beiden ein Lichtblick in Zeiten des erstarkenden Nationalismus, der durch das Engagement weiterer Gruppen, wie beispielsweise der Initiative „We are still in“ (US-amerikanisches Bündnis) verstärkt wird.

Daher kann für die Konferenz in Kattowitz abschließend festgehalten werden, dass das Ergebnis, ein für alle gültiges Regelbuch, aufatmen lässt. Die Berichtspflichten sowie Bezugsgrößen zur Vergleichbarkeit und Einordnung der Maßnahmen zum Klimaschutz sind nun festgelegt und müssen „nur noch“ angewendet werden. Der tatsächlichen Umsetzung des Pariser Klimaabkommens steht nun nichts mehr im Wege; der Grundstein ist gelegt. Auch wenn die Konferenz keine neuen Dynamiken im Kampf gegen den Klimawandel entfalten konnte, sollte die COP 24 dennoch einen Platz in den Weltklimageschichtsbüchern finden: in der Rubrik „unerwartete Fortschritte“.